Wiedereinstieg nach der Elternzeit: Zwischen Rollenkonflikt, Zweifel und neuer Perspektive
- laureensuess
- 2. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Aug.
Der berufliche Wiedereinstieg nach der Elternzeit ist für viele Frauen ein emotionaler und organisatorischer Balanceakt. Zwischen Familienalltag, innerem Erwartungsdruck und veränderten Prioritäten stellt sich oft die Frage: Bin ich bereit? Wie gelingt der Weg zurück in den Job – oder möchte ich beruflich lieber in eine neue Richtung gehen?
In diesem Beitrag erfährst du, welche psychologischen Prozesse beim Wiedereinstieg eine Rolle spielen und wie du mit Selbstvertrauen und innerer Klarheit zurück in den Beruf findest.


Warum der Wiedereinstieg mehr als ein logistisches Problem ist
Die Rückkehr in den Job nach der Elternzeit ist nicht nur ein rein organisatorischer Schritt. Aus psychologischer Sicht handelt es sich um einen Rollenübergang und der geht häufig mit Unsicherheit, Selbstzweifeln oder einem veränderten Blick auf die eigene berufliche Identität einher (Ashforth, 2001).
Hinzu kommt der gesellschaftliche Kontext: Studien zeigen, dass Frauen nach der Elternzeit häufiger als Männer mit Zweifeln, Rollenkonflikten und strukturellen Hürden konfrontiert sind, insbesondere wenn sie den Anspruch haben, Beruf und Familie gleichberechtigt zu vereinen (Cuddy et al., 2004).
Deine neue Rolle braucht ein neues Selbstbild
Nach der Geburt eines Kindes verändert sich nicht nur der Alltag, sondern oft auch das Selbstverständnis. Das bewusste Auseinandersetzen mit neuen Rollen - auch Identitätsarbeit genannt - unterstützt die emotionale Anpassung an Veränderungen (Ibarra, 2003).
Viele Frauen erleben einen Identitätskonflikt: zwischen beruflichem Anspruch, familiärer Verantwortung und gesellschaftlichen Erwartungen.
Viele Frauen unterschätzen nach längerer Auszeit ihre fachliche Kompetenz, obwohl sie nachweislich leistungsfähig bleiben. Der Begriff „Kompetenzzweifel“ beschreibt ein bekanntes Phänomen im Zusammenhang mit dem beruflichen Wiedereinstieg, oft ausgelöst durch gesellschaftliche Zuschreibungen oder Perfektionsansprüche. Dabei zeigen Studien, dass die Elternzeit sogar neue Kompetenzen stärkt: etwa Organisationstalent, Emotionsregulation oder Stressmanagement.
Das berufliche Selbstvertrauen hängt stark davon ab, ob wir unsere Erfolge erkennen und bewerten können (Bandura, 1997).
Tipp: Nimm dir bewusst Zeit, dein berufliches Selbstbild neu zu definieren. Erstelle eine Ressourcenliste:
Was bringst du an Erfahrung mit/ Was lief vor der Elternzeit gut?
Welche Stärken hast du durch die Elternzeit gewonnen – z. B. Geduld, Organisation, Stressregulation?
Für weitere Unterstützung beim Aufbau von Selbstvertrauen siehe: Nein sagen im Job und Authentizität im Job.
Nimm dir die Zeit für bewusste Reflexion
Die Elternzeit ist für viele Frauen auch ein Moment der Reflexion: Möchte ich in den alten Job zurück – oder ist jetzt die Chance für Veränderung? Entscheidungen, die auf Fremdbildern beruhen, führen oft zu Unzufriedenheit. Daher besteht die größte Herausforderung darin, sich von den äußeren Erwartungen - sei es vom Arbeitgeber, der Familie oder dem eigenen inneren Kritiker - zu lösen und zu reflektieren, nach was man selbst strebt. Die Theorie der Selbstkongruenz (Rogers, 1959) betont, wie wichtig es für das Wohlbefinden ist, dass Beruf und Persönlichkeit zueinander passen. Veränderte Lebensrealitäten brauchen neue berufliche Ziele. Vielleicht passt das alte Jobmodell nicht mehr zu deinem Alltag oder deinen Werten. Frage dich:
Was wünsche ich mir heute beruflich - fachlich, menschlich, organisatorisch
Welche beruflichen Werte sind mir wichtig? (z.B. Flexibilität, Anerkennung, Entwicklung)
Welche Jobsituation erfüllt diese Werte aktuell - und welche nicht?
Welche Alternativen würden zu meinem heutigen Ich passen?
Siehe auch: Jobwechsel oder bleiben? - 5 psychologische Strategien für klare Entscheidungen, um zu überprüfen, ob ein Wechsel sinnvoll ist.
Plane realistisch, aber nicht perfektionistisch
Nicht jede Frau kann oder will sofort wieder Vollzeit einsteigen. Ein Wiedereinstieg sollte sowohl alltagspraktisch als auch emotional tragfähig sein. Zu schnelle Überforderung kann die Motivation langfristig senken.
Erlaube dir, neue Wege zu gehen
Wähle einen Einstieg, der deinen aktuellen Lebensumständen entspricht. Nimm dir dabei Raum für Übergänge, auch emotional. Kleine, bewusste Schritte helfen mehr als ein "Alles oder nichts".
Fazit: Du darfst deinen Wiedereinstieg selbstbestimmt gestalten
Der berufliche Wiedereinstieg nach der Elternzeit ist keine Rückkehr in ein „Davor“, sondern der Beginn einer neuen, gereiften Phase. Wenn du deine Werte, Stärken und Bedürfnisse kennst, kannst du selbstbestimmt entscheiden, wie dein beruflicher Weg nach der Elternzeit aussehen soll. Du musst dich nicht zwischen Karriere und Familie entscheiden, aber du darfst definieren, was Erfolg für dich bedeutet.
Du wünscht dir Unterstützung beim Wiedereinstieg?
In meiner psychologischen Beratung begleite ich dich dabei, deine berufliche Identität neu zu definieren, Selbstvertrauen aufzubauen und selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen.
Für Frauen, die ihre berufliche Identität stärken wollen, hilfreich: Psychologische Beratung - Warum sie für Frauen so hilfreich ist und Was ist psychologische Beratung und wann hilft sie?
🔎 FAQ: Wiedereinstieg nach der Elternzeit
Wie gelingt der Wiedereinstieg nach der Elternzeit beruflich und emotional?
Ein gelungener Wiedereinstieg beginnt mit realistischer Planung und ehrlicher Selbstreflexion. Kläre deine beruflichen Werte, erkenne deine Stärken – auch die aus der Elternzeit – und erlaube dir, eigene Wege zu gehen. Wichtig ist, dass du einen Weg wählst, der zu deinem aktuellen Leben passt, statt alten Erwartungen hinterherzueilen.
Was tun bei Selbstzweifeln und Kompetenzverlust nach der Elternzeit?
Kompetenzzweifel sind ein häufiges, aber unbegründetes Phänomen. Studien zeigen: Eltern erwerben wichtige Fähigkeiten wie Organisation, Stressregulation oder Empathie. Erstelle dir bewusst eine Liste deiner Stärken und Erfolge – vor, während und nach der Elternzeit –, um dein berufliches Selbstbild zu stärken.
Ergänzende Tipps zu Selbstvertrauen und Abgrenzung im Job: Nein sagen im Job, Authentizität im Job.
Ist ein Jobwechsel nach der Elternzeit sinnvoll?
Die Elternzeit kann ein natürlicher Wendepunkt sein, an dem sich neue berufliche Wünsche und Prioritäten zeigen. Überlege, ob dein bisheriger Job noch zu deinen aktuellen Bedürfnissen passt. Ein Wechsel ist sinnvoll, wenn du mehr Erfüllung, Flexibilität oder Entwicklung suchst – beruflich wie persönlich.
Siehe dazu auch: Jobwechsel oder bleiben?
Wie lässt sich der berufliche Wiedereinstieg mit Familie vereinbaren?
Wähle ein Einstiegsmodell, das für dich emotional und organisatorisch tragfähig ist – auch in Teilzeit oder mit flexiblen Arbeitszeiten. Perfektionismus ist hier nicht hilfreich. Vielmehr geht es um stimmige Lösungen für dich und dein Umfeld.
Quellen & weiterführende Literatur
Ashforth, B. E. (2001). Role transitions in organizational life: An identity-based perspective. Lawrence Erlbaum Associates.
Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. W.H. Freeman and Company.
Cuddy, A. J. C., Fiske, S. T., & Glick, P. (2004). When professionals become mothers, warmth doesn’t cut the ice. Journal of Social Issues, 60(4), 701–718.
Ibarra, H. (2003). Working identity: Unconventional strategies for reinventing your career. Harvard Business Press.
Rogers, C. R. (1959). A theory of therapy, personality, and interpersonal relationships as developed in the client-centered framework. In S. Koch (Ed.), Psychology: A study of a science (Vol. 3, pp. 184–256). McGraw-Hill.




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